St. Thomas: Beschreibung des Bauwerks

Der in den Grundzügen sehr klare, nach Norden orientierte Grundriß setzt sich aus einem kleeblattähnlichen sogenannten Trikonchos, einem "kurzem Langhaus" und einem südlichen Turmriegel zusammen.

Im westlichen Turm lagen die Treppen zur Orgelempore und zum Glockenstuhl, während im Untergeschoß des östlichen das feuersichere Kirchenarchiv untergebracht war.

An dem Turmriegel schließt sich das Langhaus an, das, von schmalen Seitengängen flankiert, nur aus einem großen Quadratjoch besteht. Den Übergang zum gleichgroßen Vierungsquadrat bilden ein schmales quergelagertes Zwischenjoch und eine kräftige doppelte Gurtbogenzone.

Nach Westen und Osten öffnen sich halbkreisförmige Querschiffsarme (die Konchen), hinter denen sich, analog zum Langhaus und nur durch Pfeiler vom Schiff getrennt, offene Laufgänge befinden.

Vom Vierungsquadrat führen sechs Stufen in den nördlichen Altarraum hinauf, der in einem halbkreisförmigen Chorhaupt endet, und hinter dem sich, seiner Rundung folgend, in niedriger Raumfolge Sakristei, Taufkapelle und kleinere Versorgungsräume lagern.

 

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Der gesamte Bau ist auf unterschiedliche Art überkuppelt. Das Langhaus überspannt ein einfaches mächtiges Kreuzrippengewölbe, dem sich, von breiten Gurten eingefaßt, schmalere Tonnen anschließen. Hängezwickel leiten das Quadrat der Vierung in den hohen Zylinder über, den eine von zwölf kräftigen Rippen gehaltene Kuppel abschließt. Gleichartige Halbkuppeln überwölben die beiden Konchen und das Chorhaupt, während sich über den Altar eine breite Tonne spannt. Sämtliche Seitenumgänge sind im Emporengeschoß von schmalen Tonnen gewölbt, im Erdgeschoß wie auch in der Sakristei, der Zwerggalerie und den Kellerräumen von flachen Tonnen.

Dagegen besitzen die Turmhalle, die vier Vorgallen der Seitenportale und die Turmgeschosse einfache Kreuzgratgewölbe. Um diesen Konstruktionen mit ihren komplizierten Schubverhältnissen Stabilität zu geben, mußte ein massives Strebesystem entwickelt werden. Adler griff dabei auf die nicht unbekannte, aber in der zeitgenössischen Baukunst kaum gebräuchliche Abteilung der Schubkräfte auf nach innen gezogenen Streben zurück, die sowohl aus der herkömmlichen aufgemauerten Pfeilern als auch aus schlanken, fast zierlich wirkenden Eisensäulen bestehen. Durch dieses Struktursystem gelang es, weitgespannte Wölbungen ohne Zwischenstützen zu erzielen und den Widerlagern die Funktion beizumessen, mit den Umfassungsmauern der Kirche jene den gesamten Innenraum so zweckmäßig umlaufenden, doppelgeschossigen Seitengänge zu bilden. Im Außenbau erscheinen daher nur die flachen, kaum aus der Wand heraustretenden Strebepfeiler.

 

Architekt : Friedrich Adler

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Frontansicht der St.Thomas-Kirche

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Chor-Fassade der
St.Thomas-Kirche

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Profil des Langhauses
von St.Thomas

 

Besondere Sorgfalt wurde auf die Konstruktion der Vierungskuppel verwendet. Schon die Fundierung der sehr nahe am Luisenstädtischen Kanal errichteten Vierungspfeiler stellte höhere zeitliche und technische Anforderungen als gewöhnlich. Hatte der enorme Schub der Kuppel nach Süden hin sicher in den Langhausmauern aufgefangen werden können, so fehlten diese massiven Widerlager schon bei den Umfassungsmauern der Konchen und mehr noch in der kleineren östlichen Chorapsis mit ihren niedrigen Anräumen. Daher schien es ratsam, die mächtigen Vierungspfeiler möglichst vertikal zu belasten. Der führende Konstrukteur und Statiker jener Zeit war der mit Adler befreundete J.W. Schwedler (1823-94), der bei nahezu allen Monumentalkonstruktionen beratend tätig war. Auf seine Angaben hin wurden dicht über den Scheiteln der Vierungsbögen drei schmiedeeiserne Umschließungsringe von jeweils 6 Zoll Breite und 1 Zoll Stärke um den quadratischen, an den Ecken geringfügig angerundeten Vierungskörper gelegt. Darüber hinaus wurde das Gewicht der oberen Kuppel durch vier in geneigten Schichten gemauerten Streben direkt auf die Vierungspfeiler geleitet, die aus hart gebrannten Rathenower Ziegeln aufgemauert worden waren. Zum Schluß seiner ausführlichen Beschreibung der Kuppelkonstruktion äußert Adler die Hoffnung, daß "der hier gemachte Konstruktionsversuch den Fachgenossen einen neuen Beweis von der wertvollen und bisher noch nicht genug ausgebeuteten Biegsamkeit und Anschlußfähigkeit eines guten Backsteinmauerwerks giebt."

 

Durch diese Struktur und Durchbildung gelang es Adler, einen eindrucksvollen monumentalen Innenraum zu schaffen, bei dem der Charakter des Zentrierten überwiegt, der Eindruck des Längsgerichteten hingegen zurücktritt. Diese Plandisposition kam der Forderung nach protestantischen Kirchen mit Predigtschwerpunkt sehr entgegen, zumal die etwas in die Vierung gerückte Kanzel weder von Seitenschiffstützen noch anderen Baugliedern den Blicken der Gläubigen entzogen wurde. Ein weiterer Vorteil lag in der relativ geringen Entfernung zwischen Altar und hinterster Kirchenbank, wenn man bedenkt, daß bis zu 3.000 Gläubige im Gotteshaus Aufnahme finden konnten.

 

Von größter Zweckmäßigkeit erwies sich in diesem Zusammenhang die Anlage der gangartigen Seitenschiffe. Sie sorgten - über die Forderungen des Programms hinaus - für einen weitgehend rasches und störungsfreies Betreten der Kirche in beiden geschossen. Dazu trugen die vier neben den Konchen angelegten Seitenportale wesentlich bei. Der zweite wichtige Vorteil der Seitenschiffkonstruktion lag in der optimalen Raumausnutzung des Kirchensaales.