Rahman Jafari

Lieber Rahman, du kommst aus dem Iran und lebst seit drei Jahren in Berlin. Wie bist du nach Berlin gekommen und wie kam es dazu?

Ich bin mit meiner Frau und unserem ersten Sohn am 19.  März 2017 von Teheran nach Zürich geflogen. Drei Tage später sind wir von Zürich nach Berlin weitergeflogen. In Berlin wurde unser zweiter Sohn geboren. Im Iran konnten wir nicht mehr frei leben. Im Iran ist es verboten, vom Islam zum Christentum überzutreten. Alle Mitglieder der Familie, aus der ich stamme, sind Muslime. Weil ich mich zu Jesus Christus bekannt habe, brachen sie den Kontakt zu mir ab. Die Geheimpolizei verfolgt Menschen, die sich zu Gottesdiensten treffen. Ich konnte nicht zur Kirche gehen oder am Gottesdienst teilnehmen. Denn auch in den Kirchen im Iran gibt es Mitglieder der Geheimpolizei. So feierte ich jede Woche Gottesdienste heimlich mit Freunden in einer Wohnung. Wir trafen uns für zwei Stunden, um in der Bibel zu lesen und zu beten. Wir durften nicht mehr als fünf Personen sein, um keinen Verdacht aufkommen zu lassen. Wenn die Nachbarn etwas mitbekamen, riefen sie die Polizei. Wir mussten daher sehr leise beten. Wir haben in der Bibel gelesen und sind über Jesus Christus und seine frohe Botschaft für alle Menschen ins Gespräch gekommen. Ich konnte das alles nicht mehr verheimlichen. Wir waren in Gefahr.

Wie finden sich deine Frau und Kinder in Deutschland zurecht?

 

Meine Frau, Azar, und unsere beiden Söhne, Youna (5  Jahre) und Yasha (2½ Jahre) finden sich in Berlin gut zurecht. Die Kinder gehen in den Kindergarten und sprechen schon sehr gut Deutsch. Azar lernt jeden Tag zwei  Stunden Deutsch und macht den Haushalt. Ich gehe jeden Donnerstag zum Deutschkurs. Mittwochs helfe ich meinen Freunden im Deutschkurs. Ich helfe auch im Familienzentrum. Ich repariere die Stühle oder ich koche manchmal das Mittagessen. Ich verbringe auch viel Zeit mit der Betreuung meiner Kinder. Wir gehen auf den Spielplatz oder wir üben Schreiben und Malen. Ich verbringe jeden Tag sechs Stunden mit meinen Kindern. Ich hatte selbst keinen guten Vater. Er war sehr streng und erzog mich mit sehr viel Angst. Als ich fünf Jahre alt war, zwang er mich jeden Tag fünfmal zu beten. Er war sehr streng muslimisch. Er verbot mir, zu spielen. Ich konnte nicht gut lesen. Außerdem war ich Linkshänder. Die linke Hand gilt im Islam als schlechte Hand. Mein Vater sagte, wenn Linkshänder sterben, haben sie bei der Auferstehung ein Papier in der linken Hand. So wird Gott sie richten. Mein Vater hat mich geschlagen, weil ich Linkshänder war. Ich sagte: Ich kann nicht mit der rechten Hand schreiben. Durch die vielen Drohungen ging es mir sehr schlecht, ich hatte viel Kopfschmerzen und konnte nicht die erste Klasse absolvieren. Nun ist mein Vater vor 24  Jahren gestorben. Für mich ist klar: Ich möchte, dass meine Kinder ohne Angst aufwachsen, mit einem liebenden Vater. Sie sollen alles haben, was man zum Leben braucht. Sie sollen viel spielen und lachen können. Ich will so viel Zeit mit meinen Kindern verbringen wie es geht. Meine Kinder sollen in Freiheit denken, sprechen, lesen und sich unterhalten dürfen.

Einmal habe ich gehört, wie du einem Kind vorgesungen hast. Das war sehr schön.

 

Ich mag Musik. Wenn mein Vater es zugelassen hätte, hätte ich gerne Klavier gelernt. Aber mein Vater sagte, im Islam sei Musik verboten. Mein Vater verlangte, dass ich den ganzen Tag den Koran lese.

Welchen Beruf hast du gelernt?

 

Ich habe im Iran an der Universität eine Ausbildung zum Buchhalter abgeschlossen und zehn Jahre lang als Manager und Buchhalter in einem Unternehmen gearbeitet. Ich habe einem Freund geholfen, eine Restaurant-Kette aufzubauen. Gemeinsam haben wir acht Restaurants gegründet. Ich habe dort als Buchhalter, Manager und Koch gearbeitet.

Was machst du in deiner Freizeit?

 

In meiner Freizeit helfe ich zurzeit einem Mann, der an Alkoholsucht erkrankt ist. In meiner Heimat im Iran habe ich zwei Brüder, die beide alkohol- und opiumsüchtig sind. Ich habe ihnen 14 Jahre lang geholfen, mit ihrem Leben halbwegs zurecht zu kommen. Ich habe daher Erfahrungen in der Hilfe für Suchtkranke gesammelt. Ich weiß, wie es ihnen geht und welche Probleme sie haben. Im Moment begleite ich jeden Dienstag persischsprachige anonyme Alkoholiker in Berlin und spreche mit ihnen über ihre Sucht. Ich bin durch einen Freund dorthin gekommen. Ich habe eine Messenger-Gruppe gegründet, durch die wir in Kontakt stehen und uns austauschen. Ich ermutige sie, von ihrer Sucht wegzukommen. Das Reden über ihre Situation und über Auswege aus der Sucht hilft ihnen. Wenn wir uns treffen, sitzen wir an runden Tischen und sprechen über uns und was uns beschäftigt.

Du bist ein verständnisvoller Seelsorger.

 

Zwei bis dreimal pro Woche spreche ich auch mit meinen Freunden im Iran. Ich spreche im Chat mit ihnen über Christus. Reza zum Beispiel hatte wie ich eine schlechte Kindheit. Ich habe ihm von Jesus Christus erzählt, dass er der Sohn Gottes ist und den Menschen die Liebe Gottes verkündigt hat und dass er es in seinen Taten auch deutlich gemacht hat. Er hat Gott seinen Vater genannt. Durch ihn dürfen wir Gott auch als unseren guten Vater ansprechen und zu ihm beten. Er hält uns fest in seiner Hand. Alles wird gut. Reza tut es gut, diese Worte zu hören. Letztes Jahr hatte er seine Mutter verloren. Er war sehr traurig und fiel in eine Depression. Ich habe mit ihm gesprochen und es geht ihm jetzt ein bisschen besser.

Was gefällt dir an unserer Kirchengemeinde?

 

In der Kirchengemeinde in Kreuzberg-Mitte habe ich viele freundliche Menschen getroffen. Ich bin hier nicht als Ausländer, sondern als ein Bruder aufgenommen worden. Woanders war ich ein Fremder. Ich fühle Christus in St. Jacobi und in der Melanchthon-Kirche. Ich spüre, dass er hier gegenwärtig ist. Als ich Hilfe brauchte, fand ich hier Menschen, die mir halfen. Jetzt, wo es mir besser geht, will ich auch anderen Menschen helfen.

Lieber Rahman, ich danke dir für das Gespräch!

 

Pfarrer Christoph Heil