04/11/2024 0 Kommentare
Ein dringend benötigtes Stück Zuhause – der Unterschlupf e. V.
Ein dringend benötigtes Stück Zuhause – der Unterschlupf e. V.
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Ein dringend benötigtes Stück Zuhause – der Unterschlupf e. V.
Von Rebecca Marquardt-Groba
Als wir die Treppe in den ersten Stock besteigen, zieht uns schon der Duft von frisch gebackenem Kuchen in die Nase. Es ist 14.00 Uhr, das Mittagessen für die meisten bereits vorbei, die Stimmung ist gelassen, es fühlt sich nach nachmittäglicher Ruhe an. Nach und nach kommen vereinzelt Frauen dazu, denen noch ein Stück vom Auflauf angeboten wird. Für eine hat man spezielle Süßigkeiten zur Seite gelegt – weil man hier weiß, dass sie Veganerin ist. „Hier soll es sich nach zuhaue anfühlen“, sagt Betti, die Gründerin von Unterschlupf e.V., einem Tagestreffpunkt für obdachlose Frauen in Berlin. Dieses tolle Projekt hat seit rund eineinhalb Jahren seinen Sitz auf einem unserer Grundstücke, das man in der Wrangelstraße 30 findet. Auf diesem Grundstück befinden sich Gebäude der ehemaligen Emmaus-Gemeinde, die bis in die 90er hinein auch noch für Gemeindezwecke genutzt wurden. Später, nach Ausbau der Emmauskirche, wurden sie dann vermietet. In einem der Häuser befindet sich eine Kita. Das Gebäude in der Mitte, der von uns umgangssprachlich so genannte „Würfel“, der von dem Architekten Ludolf von Walthausen entworfen wurde und nun unter Denkmalschutz steht, ist das ehemalige Gemeindezentrum. Es wird derzeit saniert und danach vermietet. Die Gebäude an der Straßenseite sollen nun nach jahrzehntelanger Planungsphase abgerissen und das Grundstück neu bebaut werden. In einem dieser Gebäude sitzt der Unterschlupf e.V. Ihm konnten wir als Gemeinde damals für einen begrenzten Zeitraum hier einen Platz anbieten, nachdem wir wussten, dass es sich mit dem Abriss und der Neubebauung noch etwas hinziehen würde. Doch von Anfang an war klar: Dieses Angebot gilt nur auf bestimmte Zeit. Nun ist diese Zeit bald vorbei, Pläne können nicht mehr rückgängig gemacht werden, und der Unterschlupf e.V., die tollen Frauen, die dieses Projekt stemmen, suchen Tag für Tag nach neuen Räumen. Die Zeit rennt ihnen davon. Viel Aufmerksamkeit hat das Projekt schon bekommen, medial, und auch von politischer Seite. Doch niemand konnte ihnen bisher mit dem helfen, was sie im Moment am dringendsten brauchen: Raum. Auch wir als Gemeinde nicht, so gerne wir auch helfen würden. Denn nicht jeder Raum ist geeignet. 4 Zimmer würden reichen für den Anfang, nehmen wir mit aus unserem Gespräch. Einen für Gemeinschaft; einen zum Schlafen, denn viele Frauen bleiben die ganze Nacht auf den Beinen aus Angst überfallen zu werden. Ein Raum für Kleiderspenden, eine „Boutique“ zum Ankleiden und zum frischmachen. Und ein kleines Büro, das wäre gut. Bad und Küche natürlich. Damit das Zuhause, das Betti und ihre Kolleginnen über diese eineinhalb Jahre für so viele Frauen geschaffen haben, weiter bestehen kann.
Die Obdach- und Wohnungslosigkeit in der Hauptstadt nimmt zu. Gerade auch unter Frauen. Vielen von ihnen sieht man es nicht an, denn sie versuchen unsichtbar zu bleiben, versuchen ihre Notlage aus Angst vor Stigmatisierung zu verbergen. Manche bleiben in gewaltvollen Beziehungen oder gehen „Zwangspartnerschaften“ für das Mitnutzen einer Wohnung ein.
Der Unterschlupf ist also dringend notwendig. Und für Betti gehört er auch in diesen Kiez – nach „SO36“. Denn hier ist sie verwurzelt, hier gibt es auch den Bedarf – vielen Frauen kommen aus dem Görlitzer Park direkt zu ihnen. Doch genau dieser Wunsch schränkt die Suche nach neuen Räumen natürlich erheblich ein. Der Kiez ist beliebt und das Problem, bezahlbaren Raum zu finden, hier schon länger präsent als in den meisten anderen Berliner Bezirken.
So sitzen wir also hier in diesen alten baufälligen Gemeinderäumen, in denen ein besonderes Projekt selbst Unterschlupf gefunden hat, an einem gemütlichen Küchentisch mit Betti und ihrer Kollegin Karin, und kriegen warmen Rührkuchen mit Schlagsahne serviert. Und es fühlt sich wirklich ein bisschen nach zuhause an. Und wenn ich mich umschaue, habe ich das Gefühl, dass die Frauen dort miteinander eine eigene Art von Familie geschaffen habe. Dabei wird mir etwas flau im Magen, auch wenn der Kuchen schmeckt. Denn gleichzeitig fühlt es sich für mich auch komisch an, eine Vertreterin der Institution zu sein, deren Räume sie verlassen müssen, auch wenn das ja von Anfang an immer klar war. Ich würde gerne etwas tun, würde gerne mehr tun, denn ich glaube wirklich, dieses Projekt gehört nach Kreuzberg. Und manchmal geschehen ja Wunder. Wenn ihr/wenn Sie Ideen oder Hinweise zu möglichweise beziehbaren neuen Räumen für den Unterschlupf e.V. habt, meldet euch/melden Sie sich gerne bei mir.
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