Im Porträt
Gesichter unserer Gemeinde
Peter Eichbaum
Lieber Herr Eichbaum, sind Sie glücklich?
Ich bin seit 50 Jahren mit meiner Frau Barbara verheiratet. Ein größeres Glück könnte ich mir nicht vorstellen. Gemeinsam wohnen wir seit ebenfalls 50 Jahren in unserer Wohnung in der Neuenburger Straße in Kreuzberg. Wir haben eine Tochter und drei Enkelkinder. Ja, ich bin glücklich!
Wie war das damals, vor 50 Jahren?
Damals durfte man nur gemeinsam eine Mietwohnung beziehen, wenn man verheiratet war. Als wir verlobt waren, wohnten wir noch beide bei unseren Eltern. Zuerst musste man beim Standesamt ein Aufgebot machen, das heißt, man musste formell anmelden, dass man vorhat, zu heiraten. Dann gab es einen öffentlichen Aushang, und jeder konnte Einspruch erheben. Das hat bei uns niemand getan, und so haben wir am 27. Januar 1967 geheiratet, und am 1. Februar 1967 sind wir zusammengezogen.
Und danach haben Sie es krachen lassen?
Danach sind wir zu unserer Hochzeitsreise aufgebrochen. Wir wussten nur eins: Wir wollten unbedingt Urlaub im Schnee. Wohin, wussten wir nicht genau. So sind wir auf gut-Glück losgefahren, mit Schneeketten am Auto. An der Marblinger Höhe bei Kufstein in Österreich, kurz hinter der deutsch-österreichischen Grenze, sind wir angekommen. Wir waren beide noch nie Skifahren und haben auch bis heute nie auf Skiern gestanden, aber wir hatten Skistiefel dabei und sind damit viel im Schnee gewandert. Es war herrlich!
Wie haben Sie sich eigentlich kennengelernt?
In der Straßenbahn. Wir wohnten beide bei unseren Eltern in Kreuzberg und arbeiteten beide beim Bezirksamt Kreuzberg, kannten uns auch vom Sehen. Eines Morgens sahen wir uns in der gleichen Straßenbahn. Aber wir standen jeder in einem anderen Wagen – ich im einen, meine Frau, Barbara, im anderen. Wir sahen uns nur durch die Scheiben. Als wir ausgestiegen waren, kamen wir ins Gespräch. Unsere erste Verabredung hatten wir in der Deutschlandhalle an der Messe. Dort sahen wir die Operette „Blume von Hawaii“ von Paul Abraham. Am 4. September 1964 verlobten wir uns.
Woran denken Sie besonders gerne zurück?
Da fallen mir die vielen schönen Reisen nach Amerika ein. 1971 wurde unsere Tochter geboren, und seit 1973 flogen wir alle zwei Jahre einmal für mindestens einen Monat über den Atlantik. In USA haben wir uns immer einen Mietwagen genommen und sind alle Bundestaaten abgefahren, bis auf Alaska und Hawaii. Unsere erste Reise ging schon 1987 entlang der Ostküste runter bis Key West, Florida. Später fuhren wir die Ostküste rauf bis nach Neu-England. Ich habe meine Frau und Tochter ganz schön rumgescheucht. Am meisten beeindruckten uns die wunderschöne Natur und die Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Offenheit der Amerikaner. Wenn wir mit der Karte nach dem Weg suchten, blieben die Menschen stehen und fragten uns, wie sie uns helfen könnten. Als sie hörten, dass wir aus Deutschland kamen, freuten sie sich riesig und erzählten, dass sie deutsche Vorfahren hatten oder in Deutschland studierten. Heute zehren wir von diesen Erinnerungen.
Reisen war ja etwas Besonderes, wenn man in Westberlin groß geworden ist und in der Nähe der Mauer wohnte...
...natürlich, wenn wir Kurzreisen in den Harz oder an die Nordsee machten, mussten wir immer die innerdeutsche Grenze passieren: An der Stadtgrenze Berlins aussteigen, in die Grenz-Baracke gehen, Formulare ausfüllen, an die Kasse gehen, dazwischen immer lange Wartezeiten. Dann kam die Kontrolle des Wagens, das war ja ein riesiger Aufwand. Und wenn man nach der Durchreise an der innerdeutschen Grenze angekommen war, ging die ganze Prozedur von vorne los. Heute fährt man frei durch Deutschland und Berlin als wäre nie etwas gewesen. Aber an die Angst können wir uns gut erinnern.
Wie sind Sie damals damit umgegangen?
Wir haben uns damit arrangieren müssen. Als wir von unserer Hochzeitsreise zurück an die DDR-Grenze kamen, zog der DDR-Grenzer unsere Fotos von den Flitterwochen aus dem Handschuhfach und schaute sie sich ganz genau an. Das war ein Eingriff in die Privatsphäre. Dann durfte man nichts sagen, nicht mal lachen oder gar lächeln, man war ja völlig abhängig in dem Moment. Einmal erlebten wir eine seltene Ausnahme, das war am Grenzübergang in Helmststedt. Wir waren zu dritt im Auto: Meine Frau und ich, und unsere Tochter auf dem Rücksitz. Neben ihr saß ihr großer Stoff-Schlumpf. Als der Beamte sich die Papiere ansah, sagte er, er könne uns nicht durchlassen. In den Papieren stünden drei Personen. Im Auto säßen aber vier. Ja, für den Schlumpf unserer Tochter hatten wir natürlich keine Durchreiseerlaubnis beantragt, aber der humorvolle Grenzer hat uns dann doch unsere Reise fortsetzen lassen. Nach der Ost-West-Annäherung war es ein bisschen leichter, aber wir haben uns vor diesen Fahrten immer ein bisschen gefürchtet.
Was verbindet Sie eigentlich mit unserer Kirchengemeinde in Kreuzberg?
Ich bin Kreuzberger. Ich wurde 1939 in der Forster Straße in Kreuzberg geboren. Dort bin ich auch aufgewachsen. Ich wurde evangelisch getauft und konfirmiert. Ab 2002 war ich Mitglied bei der Stiftung Historische Friedhöfe. 2003 wurde ich als Ersatzältester in den Gemeindekirchenrat von St. Jacobi gewählt, und ab 2004 war ich ordentliches Mitglied und beschäftigte mich vor allem mit den Finanzen und Haushaltsfragen. Ich habe alle Rechnungen überprüft. Ich war ja beruflich in der Verwaltung tätig. Zuerst seit 1955 im Bezirksamt Kreuzberg in der Yorckstraße, dann ab 1972 bei der Pädagogischen Hochschule und später bei der Hochschule der Künste, die heutige Universität der Künste.
Sie haben ja Ihre Goldene Hochzeit in St. Jacobi-Kirche gefeiert. Wie war das für Sie beide?
Ich bin evangelisch, meine Frau ist katholisch. Wir wollten von Anfang an eine Gleichberechtigung der Konfessionen in unserer Familie: Daher hatten wir vor 50 Jahren vor, katholisch zu heiraten und unsere Kinder evangelisch zu erziehen. Aber das war damals alles noch nicht so einfach. Der katholische Pfarrer bestand darauf, dass wir unsere Kinder auch katholisch erziehen. So haben wir uns für die evangelische Trauung entschieden. Und unsere Tochter wurde katholisch getauft. Unsere Silberne Hochzeit haben wir dann in der St. Agnes-Kirche in der Alexandrinenstraße ökumenisch feiern können. Unsere Goldene Hochzeit feierten wir dieses in der St. Jacobi-Kirche. Unsere Tochter, die mit ihrem Ehemann und unseren drei Enkelkindern heute in Österreich lebt, war da und hat gesungen. Unser Enkel hat auf der Orgel „Sound of Silence“ und den Pachelbel-Kanon gespielt. Unsere Tochter und unsere drei Enkelkinder sind unser ganzer Stolz.
Herzlichen Glückwunsch! Und Ihr Hochzeitsvers?
Unser Hochzeitsvers steht in Psalm 39, Vers 8: „Wessen soll ich mich trösten? Ich hoffe auf dich.“ Dieser Vers hat uns in vielen schweren Situationen begleitet. Wir haben erfahren, dass Gott uns in unserem Leben und in unseren 50 Jahren Ehe begleitet hat. Das gilt auch für die schwierigen Zeiten: 2010 wurde bei mir eine Augenkrankheit diagnostiziert, die mir das Lesen zunehmend erschwert. Das beschäftigt mich sehr, denn ich habe vier Hobbies, für die ich vor allem meine Augen brauche: Modellbahn, Briefmarken, Fotografie und Lesen. Ich habe über 20.000 Dias von unseren Urlaubsreisen gesammelt, aber auch Dias von Bauwerken in Berlin. Dazu brauche ich meine Augen.
Was uns außerdem belastet ist die seit einem Jahr anhaltenden Renovierungsarbeiten unseres Hauses durch die Immobiliengesellschaft Deutsche Wohnen. 2004 bekamen wir neue Kunststofffenster. Die wurden nun wieder entfernt, weil sie nicht mehr den Standards entsprechen. Jetzt bekommen wir wieder Holzfenster. Nächstes Jahr folgt die Wärmedämmung. Das Bad ist kleiner geworden. Es gibt viele Einschränkungen und unklare Zuständigkeiten. Man rennt den Handwerkern hinterher. Manchmal kann man sich gar nicht verständigen. Für die Modernisierung droht uns jetzt ein Mietaufschlag von 265 Euro.
Lieber Herr Eichbaum, vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Pfarrer Christoph Heil