Streifzug durch die Gemeinde

Liebe Leserinnen und Leser,
mein Name ist Hans-Peter Distelkamp-Franken. Ich bin Mitglied im Gemeindekirchenrat und stamme aus der ehemaligen Emmaus-Ölberg Gemeinde. Dort habe ich mich als GKR-Mitglied in den letzten Jahren um die Bautätigkeiten bekümmert. Im neuen GKR bin ich nun - außer meines Engagements im Finanzausschuss und Personalausschuss - auch Vorsitzender des Bauausschusses. In dieser Funktion möchte ich Sie zu einem Spaziergang zu den einzelnen Immobilien der neuen fusionierten Gemeinde einladen und Ihnen dabei einige (Bau-) Geschichten erzählen.

Ich fange einfach mal mit dem Gelände der St. Jacobi-Kirche an und bewege mich dann im Uhrzeigersinn durch unsere neue Evangelische Kirchengemeinde Kreuzberg.
In alten Bauplänen ist das Kirchengebäude mit Neue Louisenstadt-kirche ausgewiesen. König Friedrich Wilhelm IV. als Patron verlieh der Kirche ihren Namen, unter anderem in Anlehnung an das Jakobs-Hospital, ein Altenheim der Petri-Gemeinde an der Alten Jakobstraße, der ältesten Straße im neuen Gemeindegebiet. Der Bezug auf die biblische Gestalt Jakobus der Ältere ergibt sich aus theologischen Erwägungen, deren Ergebnis durch die Skulptur von Emil Hopfgarten im Kolonnadenhof gestützt wird.

Für das gesamte Gelände von St. Jacobi stehen Bauplanungen und –Maßnahmen an. Hier einige Beispiele: Die Hüllensanierung, samt den Grundmauern, der Kirche. Die gesamten Gebäude auf dem Gelände sollen mit Fernheizung beliefert werden.
Die Pilgerstätte benötigt Räume, daher auch Umbauten in der Kirche. Außerdem wären Übernachtungsmöglichkeiten für Pilger wünschenswert. Die Orgelempore soll erweitert werden. Außen sollen Auffangbecken für das Regenwasser von den Dächern eingelassen werden. Neue Abwasserrohre müssen verlegt werden. Die Nutzungsmöglichkeiten der beiden Häuser 132 und 134 in der Oranienstraße müssen überdacht werden.

Über diese Fragen und darüber hinaus, gibt es zwischen den Vertretern der Gemeinde, der Bauabteilung des Kirchlichen Verwaltungsamtes, dem Umweltforum Berlin, den Architekten und dem Pilgerzentrum St. Jacobi regen Austausch.

Verlassen wir nun den Ort und gehen in Richtung St. Thomas-Kirche . In St. Thomas haben wir ja vor kurzem mit einem herrlichen Gottesdienst und anschließendem Empfang in der großen Kirche die Fusion unserer Gemeinden gefeiert. Zur Zeit ihrer Erbauung war die Kirche mit 3.000  Plätzen der größte  Sakralbau Berlins und die St.-Thomas-Gemeinde mit ca. 150.000 Mitgliedern eine der größten evangelischen Gemeinden der Welt. Sie wurde zwischen 1865 und 1869 durch den Architekten Friedrich Adler erstellt. Diesen imposanten Bau am Mariannenplatz erreichen wir, indem uns der Weg bis zum Oranienplatz führt, dann durch das Engelbecken bis zum Cafe und weiter auf dem Bethaniendamm bis zur gut sichtbaren Kirche. Gegenüber des „Baumhaus an der Mauer“ (was wohl jeder Kreuzberger kennt), befindet sich das Gemeindehaus und eine Kindertagesstätte des Evangelischen Kita-Verbands Berlin Mitte Nord.
Leider gibt es da auch einen aktuellen Vorfall, der eine kleine Sanierung am Mauerwerk notwendig macht. An der Seite zur Straße Mariannenplatz lagen Gegenstände eines verstorbenen Obdachlosen. Das Ordnungsamt war informiert und gebeten worden, diese entfernen zu lassen. Bis zum Abend des 15. Mai war dies noch nicht geschehen und, welche Menschen auch immer, zündeten diese Nachlassenschaften an. Es gab hohe Flammen, aber Gott sei Dank keinen Personenschaden. Durch das Feuer wurde die Wand geschwärzt und da die Steine einer hohen Temperatur ausgesetzt waren, platzten diese teilweise ab. Das Feuer wurde schnell gelöscht, die Polizei nahm Ermittlungen auf. Da zum Zeitpunkt der Tat ein christlich-jüdischer Gottesdienst stattfand, ermittelt auch der Staatsschutz.

Nach dieser trüben Geschichte geht es weiter durch die Wrangelstraße in Richtung Hochbahn bis zu den Nummern 30-32, dem ehemaligen Gemeindezentrum der Emmausgemeinde. Wenden wir uns der Hofeinfahrt zu, können wir direkt auf das alte Gemeindehaus (es steht unter Denkmalschutz) blicken. Es ist ein grauer Betonbau aus dem Jahr 1972. Geplant und erstellt von dem Architekten Ludolf von Walthausen. Linker Seite gibt es einen kleinen Garten mit Rasenfläche davor, rechter Seite war die Gemeinde-Kita untergebracht (jetzt betreibt der Verein „Nestwärme“ dort einen ihrer Kindergärten). Nach der Fusion der beiden Gemeinden Emmaus und Ölberg wurden die beiden Kitas zusammengelegt und in der Lausitzer Straße angesiedelt.
An der Straße links steht ein Flachbau und rechts das alte Pfarrhaus, das momentan vom Diakonischen Werk angemietet worden ist. Seit Jahren bestehen schon Baupläne für einen Neubau auf dem Gelände und zur Straße hin. Der Kirchenkreis hatte vor einigen Jahren einen Architektenwettbewerb ausgelobt. Leider konnte der Kirchenkreis aus innerkirchlichen Gründen nicht als Bauherr fungieren. Zwischenzeitlich steht das alte Gemeindehaus auf der Denkmalschutzliste und darf einem Neubau nicht weichen. Das erschwerte natürlich die Bebauung des Grundstückes. Jetzt liegen für die Straßenfront neue Pläne, Bauerlaubnis, Finanzierung und Freigabe von Eigenmitteln vor. Ein Architekturbüro prüft jetzt in der Bauphase I bis IV die Realisierung. Flachbau und Altes Pfarrhaus müssen abgerissen werden. Es entstehen auf fünf Ebenen Wohnungen verschiedener Größe und Gewerberäume im Erdgeschoss. Das alte Gemeindehaus muss saniert werden. Über die Finanzierung ist der Bauausschuss und der GKR im Gespräch und in der Diskussion. Die Kita wird von „Nestwärme“ weiterhin so wie bisher betrieben.

Jetzt haben wir uns lange an diesem Ort aufgehalten und wollen aber noch die Emmaus-Kirche am Lausitzer Platz besuchen. Dazu gehen wir in der Wrangelstraße ein Stück zurück bis zur Eisenbahnstraße. In diese biegen wir links rein, an der Markthalle IX vorbei und sehen auch schon den 74 Meter hohen Turm der Kirche. Die Emmaus-Gemeinde war zunächst eine Tochter der St.-Thomas-Gemeinde. 1872 wurde zunächst eine Notkirche auf dem Lausitzer Platz gebaut, um der künftigen neuen Gemeinde eine eigene Gottesdienstmöglichkeit zu bieten. Am 1. April 1887 trennte sich die Gemeinde formell von der St.-Thomas-Gemeinde. Bei der Gründung hatte die Emmaus-Gemeinde rund 70.000 Mitglieder. Die Kirche  wurde nach Plänen und unter Leitung von August Orth von 1890 bis 1893 erbaut. Sie bildete mit dem gegenüberliegenden, ebenfalls von August Orth geplanten Görlitzer Bahnhof ein Bau-ensemble. Am 27. August 1893 war die Einweihung der Kirche. Sie hatte für 2.400 Personen Platz. Das Ende des Zweiten Weltkriegs zerstörte Kirchenschiff wurde abgetragen, ebenso die Annexe des Kirchturms. Von 1957 bis 1959 wurde ein neues Kirchenschiff mit nur noch 500 Plätzen errichtet, das am 6. Dezember 1959 eingeweiht wurde. Die Vorplanung machte Werner v. Walthausen, die Bauausführung lag in den Händen von Ludolf v. Walthausen. Von 1990 bis 1995 wurde nach Plänen von Wulf Eichstädt und dem GKR, unter der Leitung von Pfarrerin Ulla Franken, als Bauherr, der Kirchturm als modernes Gemeindezentrum für Gemeindeaktivitäten, mit Büros und einer Pfarrdienstwohnung umgebaut.
Am 27. August 1995 fusionierte die Emmaus-Gemeinde mit der naheliegenden Ölberg-Gemeinde zur Emmaus-Ölberg Kirchengemeinde. Am 1. Januar 2022 ging diese fusionierte Gemeinde in der Evangelischen Kirchengemeinde Kreuzberg auf.  Als ich mit meiner verstorbene Frau Ulla Franken, die zu diesem Zeitpunkt dort Pfarrerin war, und den Kindern 1994 dort einzog, war der Kirchturm, so wie jetzt, bis zur Spitze eingerüstet (zu diesem Punkt kommen wir später noch mal). Unsere Wohnung war nur über die Notaufgänge zu erreichen, der Aufzug war noch nicht im Regelbetrieb und über die Einrüstung hatten wir eine Zeit lang Nächteweise immer mal wieder „Besuch“. Einige ließen es sich nicht nehmen, an unserem Schlafzimmer vorbei auf dem Gerüst bis zur Spitze hochzusteigen. Ein anderes Mal saß vor unserer Wohnungstür ein Pärchen, das Zärtlichkeiten austauschte. Bis sich dann wohl herumgesprochen hatte, dass im Kirchturm jetzt Menschen wohnten und als „Ausflugziel“ nicht mehr zur Verfügung stand. Ich könnte noch weitere Anekdoten erzählen, aber das würde jetzt zu weit führen. Zurück zur Einrüstung des Kirchturms. Für den Kirchturm stand seit Jahren schon eine Sanierung an. Noch unter dem Pfarrer Jörg Machel wurde überlegt, ob man dann nicht gleichzeitig mit der Sanierung auch die beiden Seitenflügel des Turms aufstocken und vermietbare Räume schaffen sollte. Der Gedanke wurde aufgenommen und wird jetzt umgesetzt. Es entstehen im 2. und 3. Obergeschoss jeweils ca. 300 qm großer Raum. Sanierung und Aufstockung gehen Hand in Hand und deshalb auch die Einrüstung bis hoch zur Spitze. Trotz dieser Beeinträchtigung findet weiterhin vor Ort die Gemeindearbeit statt und auch Konzerte werden durchgeführt. Beabsichtigt ist, dass im Sommer 2023 die Bauarbeiten dann abgeschlossen sind.

Der Weg führt nun durch die Lausitzer Straße an der Feuerwache vorbei, dem Seniorenstift Marien Kreuzberg, über die Reichenberger Straße und rechts der Regenbogenfabrik zur Ölbergkirche . 1910 wurde sie als Emmaus West abgetrennt.  Für die Gottesdienste mietete die Gemeinde einen Saal in der Lausitzer Straße 24, später eine Fabrikhalle in der Forster Straße.  Der Bau einer neuen Kirche wurde realisiert und die feierliche Grundsteinlegung erfolgte am 22. Juni 1921. Die Einweihung fand am 18. Juni 1922 statt. Vor der Corona-Pandemie wurde, um Energie zu sparen, im Winter dort Gottesdienst gefeiert und im Sommer in der Emmaus-Kirche. Jetzt beherbergt sie auch noch ein Tonstudio, betreut durch den Kantor Ingo Schulz. Somit wurde für die Zukunft eine zusätzliche Einnahmequelle gefunden. Außerdem befindet sich auf dem Gelände die ehemalige Gemeinde-Kita, die aber auch dem Verbund beigetreten ist. Im restlichen Bauteil befinden sich Wohnungen und Gemeinderäume und vor Zeiten auch die Küsterei.

Am Landwehrkanal entlang schlendern wir Richtung Kottbusser Brücke, überqueren auf ihr den Landwehrkanal und biegen rechts auf die Straße Planufer ein. An der Admiralsbrücke angelangt, liegt linker Hand die Melanchthon-Kirche mit Wohnungen, Kita (auch im Verbund) und einem gesonderten Wohnhaus. Die alte Melanchthon-Kirche befand sich ursprünglich weiter weg in Richtung Urbankrankenhaus, wurde im 2. Weltkrieg zerstört und die Ruine 1953 gesprengt. Die neue Melanchthonkirche am Planufer wurde 1954–1955 nach Plänen von Fritz Buck errichtet und 1973–1974 von Reinhold Barwich erweitert. Ursprünglich sollte der Neubau lediglich als Gemeindehaus dienen, weil die Gemeinde in den 1960er Jahren in der Graefestraße zusätzlich zu einem zweiten Gemeindezentrum eine Kirche bauen wollte. Zum Bau einer Kirche kam es wegen der finanziellen Situation und der stetig sinkenden Zahl der Gemeindemitglieder aber nicht mehr.

Langsam wird es Zeit für eine Pause. Aber lassen Sie uns noch einen kurzen Abstecher durch die Böckhstraße zur Graefestraße machen. In diese biegen wir rechts ein, an kleinen Geschäften und Kneipen vorbei, über die Urbanstraße bis zur Nummer 36. Hier steht ein Seniorenwohnhaus der früheren Melanchthongemeinde . Auf 6 Etagen gibt es ca. 60 Wohneinheiten als 1 Zimmerappartements. In einem Teil des Erdgeschosses fand eine Demenz-WG ihr Zuhause und im anderen Teil befindet sich das Street Collage Berlin. Hier können überwiegend Jugendliche und junge Erwachsene lernen, deren Stärken  wahrgenommen und gefördert werden.
 
Alle diese Immobilien müssen sich selbst tragen. An diesem Ziel arbeitet die Gemeinde. Die Zuweisungen werden geringer, aber die Anforderungen bleiben. Insofern ist es angebracht, jetzt schon darüber nachzudenken, wie wir unseren Nachfolgern eine Zukunft ermöglichen und gleichzeitig aber unser heutiges Gemeindeleben auch Bestand hat. Deshalb investieren wir jetzt Geld und Ideen.

Jetzt sind wir am Ende unseres Spaziergangs und ich bedanke mich für Ihre Begleitung. Bummeln Sie doch entspannt zurück in Ihr Zuhause, kehren Sie unterwegs irgendwo ein, genießen sie die Sonne und erfreuen sich an unserem schönen Gemeindegebiet.

Bis demnächst in der Gemeinde
Ihr Peter Distelkamp-Franken